1. Präambel
Das „Hedwigsforum Kirche der Welt" ist zu verstehen als ein Teilprojekt der pastoralen Innovation innerhalb des Pastoralen Raums Nied/Griesheim, das diesen Schwerpunkt in und für die Frankfurter
Stadtkirche bearbeiten möchte. Es ist deshalb im Pastoralprojekt des Pastoralen Raums Nied/Griesheim verankert.
2. Ausgangspunkte
2.1 Die Heilige Hedwig
Das „Hedwigsforum Kirche der Welt“ ist in der Hedwigskirche Frankfurt angesiedelt. Deren Schutzpatronin, die Heilige Hedwig, galt und gilt noch heute als Symbolfigur und Wegbereiterin des
Friedens zwischen dem deutschen und polnischen Volk. In diesem Bewusstsein wurde der Standort St. Hedwig in Frankfurt/Main-Griesheim in der Nachkriegszeit von Heimatvertriebenen gegründet.
Hatte der Gedanke von Versöhnung und Ausgleich zum damaligen Zeitpunkt eher bilaterale Bedeutung, so muss nunmehr im Zeitalter der Globalisierung die Person der Heiligen Hedwig als Symbol für
Solidarität, Ausgleich und Versöhnung auf internationaler Ebene gelten. Dieser Gedanke folgt auch aus der Tatsache, dass Kirche von ihrem Auftrag her stets „katholisch“, also allumfassend und
damit missionarisch war und stets sein soll.
2.2 Theologischer Ausgangspunkt
"Das Bewusstsein der 'Einen Welt' und der weltkirchlichen Verbundenheit ist nicht eine Nebensache, die aus humanitären oder aus Gründen christlicher Barmherzigkeit gepflegt wird. Das Bewusstsein
für globale Zusammenhänge, das Interesse am fremden Freund und das Mühen um interkulturelle Kompetenz ist ein zentrales Anliegen des christlichen Selbstverständnisses". 1)
Kirche ist von ihren Ursprüngen her Kirche aus allen Sprachen, Stämmen und Völkern (vgl.Offb 5,9 f; Apg 2,7-11). Gemäß dem Auftrag Jesu: „Geht hinaus in die ganze Welt und ver-kündet das
Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15) lädt uns das Hirtenwort der deutschen Bischöfe im Jahr 2004 „Allen Völkern sein Heil – Die Mission der Weltkirche“ ausdrücklich zum weltkirchlichen Dialog
ein. 2)
Die "Option für die Armen" verpflichtet uns dabei zu einem ganzheitlichen Dienst, d.h. zu "einem materiellen und sozialen, aber auch kulturellen und religiös-spirituellen Auftrag. Wir begreifen
unseren Dienst als integralen Teil der Mission der Kirche, eine Mission, die sich auf das Evangelium gründet." 3)
Die Idee für das „Hedwigsforum Kirche der Welt“ wurde nicht zuletzt auch angeregt und bestärkt durch den Brief von Bischof Kamphaus zur österlichen Bußzeit 2006, in dem er für ein
selbst-bewusstes und dialogfreudiges Christentum eintritt. 4)
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1) www.partnerschaft-freiburg-peru.de
2) Die Deutschen Bischöfe 76, 2004
3) vgl. Dr. Hermann Schalück ofm: Gedanken zur Weltkirche, Aachen 2003,
Beitrag zum Weltfriedensgebet "Zwischen Krieg und Frieden: Religionen und Kulturen begegnen sich"
4) Bischof Kamphaus schreibt in seinem Hirtenbrief 2006: „Die Christen sind heute eine gesellschaftliche Gruppe unter anderen in einem weltanschaulich neutralen
Staat … Aufs Ganze gesehen sind wir Volk Gottes unter den anderen Völkern … Eine Christenheit, die in die Welt zerstreut ist und sich darin selbstbewusst und dialogfreudig zu ihrem Glauben
bekennt, muss lernbereit und auskunftsfähig sein … Machen wir aus unseren Gemeinden und unserer Kirche eine Sprachwerkstatt des Glaubens, randvoll mit geistlichem
Erfindungsreichtum“.
2.3 Internationale Stadt Frankfurt
Europa wächst zusammen. Die Debatte, bis wohin Europa geht und wie sich dieses Europa konstituiert (Integration der mittel-, ost- und südeuropäischen Staaten), wird in den kommenden Jahren
Politik und Alltag der Menschen in Deutschland und Europa bestimmen.
Frankfurt ist eine internationale Stadt. Menschen aus über 180 Nationen leben und arbeiten hier, davon viele aus Mittel- und Osteuropa. Allein im Stadtteil Griesheim hat über ein Drittel der
Bevölkerung eine andere Staatsangehörigkeit; noch mehr Menschen haben einen Migrationshintergrund. Diese örtliche Besonderheit verpflichtet uns, unser Leben und Handeln als Kirchengemeinde an
dieser Internationalität auszurichten.
3. Arbeitsauftrag und Schwerpunkt des Hedwigforums
Das „Hedwigsforum Kirche der Welt " soll in erster Linie ein Ort des öffentlichen Austauschs sein, an welchem Fragen, Meinungen und Gedanken zu aktuellen und zeitlosen Themen der Weltkirche
aufgegriffen und erörtert werden.
Wir versuchen, uns auf neuen Wegen zu engagieren, indem wir uns für Themen und Problemlösungen einsetzen, die ansonsten oftmals in den Bereich der politischen Tabus verbannt werden. 5)
Aufgrund der Gemeindegeschichte sowie im Hinblick auf die Erweiterung Europas ist der derzeitige Schwerpunkt der Arbeit das östliche Mitteleuropa und Osteuropa. Wir wollen uns aber auch eine
Offenheit für andere „Orte“ und Partnerschaften z.B. in Südamerika, Afrika, Asien bewahren. Einige Kontakte bestehen bereits.
Wir wollen Impulse in die Öffentlichkeit, die Stadtkirche und das Bistum geben, z.B. durch
- die Organisation von Ausstellungen, Vorträgen und Podien, politischen Debatten, musikalischen und anderen künstlerischen Beiträgen, Begegnungstreffen etc.
(geplant sind kleinere und größere Veranstaltungen),
- eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit (Information),
- Projekte, Partnerschaften und begleitende unterjährige Arbeit
- Kontakte und Austausch mit anderen Bistümern und Hedwigskirchen.
Dies wird derzeit umgesetzt z.B. durch
- die Zusammenarbeit mit der eriträischen Gastgemeinde und Gemeinden anderer Muttersprache (z.B. mit der polnischen und der kroatischen Gemeinde),
- die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen und Zeitzeugen sowie Kindergärten, Schulen und Vereinen bei interkulturellen Veranstaltungen,
- die Vertiefung der Partnerschaften mit Gemeinden in Osteuropa, Besuche und Gegenbesuche dieser Gemeinden sowie Durchführung von (Wall-) Fahrten nach Mittel- und Osteuropa,
- die Kooperation mit der ACK Frankfurt-Griesheim, in der wir uns der Wirklichkeit anderer Kirchen besonders unter weltkirchlichen Gesichtspunkten (z.B. der Orthodoxie) stellen wollen,
- ebenso wie der Weiterführung des Dialogs mit dem Islam.
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5) vgl. Dr. Hermann Schalück ofm: Gedanken zur Weltkirche, Aachen 2003,
Beitrag zum Weltfriedensgebet "Zwischen Krieg und Frieden: Religionen und Kulturen begegnen sich"
4. Kooperationspartner
Für unser Hedwigsforum Kirche der Welt suchen wir Kooperationspartner und haben bereits solche gefunden:
- Wir möchten mit den Frankfurter Gemeinden bzw. den Eine-Welt-Gruppen zusammenarbeiten, die selbst in der weltkirchlichen Arbeit engagiert sind. Mit diesen möchten wir eine „Austauschbörse“
aufbauen und eine Plattform für übergemeindliche Zusammenhänge und Aktionen schaffen.
- Wir möchten mit den Gemeinden anderer Muttersprache zusammenarbeiten, die Kontakte in ihre Heimatländer, insbesondere die Länder des östlichen Mitteleuropas und Osteuropas unterhalten.
-Ein wichtiger Kooperationspartner bei der Bündelung, Koordinierung und fachlichen Beratung der weltkirchlichen Arbeit ist für uns in diesem Zusammenhang das Büro für Stadtkirchenarbeit der
Stadtkirche Frankfurt. Mit diesem streben wir einen regelmäßigen Austausch an sowie eine Zusammenarbeit bei Projekten, die Bedeutung für die gesamte Stadtkirche haben. Impulse hierzu nehmen wir
dankbar entgegen.
- Wo diözesane Zusammenhänge und Kontakte berührt sind, möchten wir ebenso mit der Abteilung Weltkirche unseres Bistums Limburg zusammen arbeiten. Diese Zusammenarbeit bedarf der Absprache im
Einzelfall.
- Gefragte Kooperations- und Projektpartner sind für uns ebenso die Verbände:
a) Eine Zusammenarbeit besteht bereits mit der Ackermann-Gemeinde, die ihren Auftrag in der Versöhnungsarbeit mit den Ländern des östlichen Mitteleuropas und Osteuropas sieht, in diesen
Zusammenhängen seit Jahrzehnten tätig ist und hier zahlreiche Kontakte und Partnerschaften unterhält.
b) Ebenso gehört die Bistumsstelle Limburg der katholischen Friedensbewegung Pax Christi zu den Kooperationspartnern. Sie betreibt die Versöhnungsarbeit besonders unter dem Gesichtspunkt
friedensfördernder Prozesse und der gewaltfreien Konfliktbearbeitung. Die gemeinsame Unterstützung von Friedensfachkräften ist ein mögliches Aufgabenfeld; ebenso die klassische „Ostarbeit“
(Versöhnung mit Polen), die zu den angestammten Aufgabenfeldern von Pax Christi gehört.
c) Ein gefragter Kooperationspartner ist für uns im Einzelfall der Caritasverband Frankfurt, insofern es bei der weltkirchlichen Arbeit auch um internationale diakonische Projekte geht, die über
die verbandliche und fachliche Arbeit hinaus auch auf eine öffentliche Bühne gestellt werden sollen (internationale Begegnungen, Austauschtreffen, etc.).
d) Auch mit anderen Verbänden (KAB, Malteser, etc.) wird im Einzelfall eine Zusammenarbeit gesucht, ebenso wie mit den großen Hilfswerken.
- Schließlich, aber nicht zuletzt möchten wir die langjährige gute ökumenische Kooperation, die sich in Griesheim in der Gründung und Arbeit der ACK Griesheim niedergeschlagen hat, in Absprache
mit unserer evangelischen Schwesterngemeinde auf die weltkirchliche Arbeit ausdehnen.
5. Ziele
5.1 Spiritualität
In der Begegnung mit Menschen anderer Nationalitäten, Kulturen und Religionen wollen wir unseren beziehungsreichen Gott neu entdecken:
- als den Schöpfer, dessen Liebe besonders den Menschen gilt, die in unserer Welt am wenigsten Liebe erfahren 6),
- als den Christus, der uns in der Begegnung mit unseren Nächsten, den Anderen,
immer schon voraus ist 7),
- als den Heiligen Geist, der das Antlitz unserer Erde und damit auch uns sowohl
als Kirche als auch als einzelne verändert und gemeinschaftsfähig macht. 8)
Daraus schöpfen wir unsere Kraft und Zuversicht.
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6) Vgl. F. Kamphaus, Verantwortung im Weltmaßstab, Vortrag am 17.11.07 in Mühlheim, veröffentlicht
Internetseiten Bistum Limburg v. 17.11.07; ferner: E. Dussel, Befreiungsethik, in: Concilium 2 (1984), 133-141,
Ders., Ethik der Gemeinschaft, Düsseldorf, Patmos (PTHB) 1988, S. 222-233, insbesondere S. 223 u.230 f.
7) In Analogie zu M. Mildenberger, EZWIINF 51 (1975), S. 9
8) Vgl. José Comblin, Der heilige Geist, Gott der sein Volk befreit, Düsseldorf, Patmos (BThB) 1988, S. 1041-72
5.2 Lernen
Wir setzen uns ein
für eine menschliche Globalisierung, die das Ziel hat, "der Globalisierung des Profits und des Elends, eine Globalisierung der Solidarität entgegenzusetzen" (Papst Johannes Paul II). 9)
Wir wollen einen neuen Lebensstil einüben, indem wir fragen, wo sich unser eigenes und das Verhalten der Gesellschaft verändern muss, um anderen eine Teilhabe an den Gütern dieser Welt zu
ermöglichen.
Wir wollen lernen, Grenzen zu überwinden. Wir fragen nach den Ursachen von Armut und Ausgrenzung und setzen uns ein gegen Ausgrenzung jeder Art.
Wir wollen über den eigenen Kirchturm schauen und uns und andere informieren.
Das Hedwigsforum verstehen wir als eine Möglichkeit, „das Evangelium selbst neu zu lernen“ und „unsere Berufung für die anderen neu (zu) entdecken“. 10)
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9) Papst Johannes Paul II in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2001
10) Bischof Franz Kamphaus in seinem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit 2006
5.3 Solidarität
Wir wollen dazu beitragen,
dass Frieden und Gerechtigkeit, wechselseitige Offenheit, Akzeptanz, Solidarität und Freude an der Vielfalt wachsen: im Zusammenwirken von Menschen und Staaten, ethnischen Mehrheiten und
Minderheiten, von Sprachen und Kulturen, Religionen und Weltanschauungen.
Wir wollen Möglichkeiten zur Begegnung verschiedener Kulturen schaffen z.B. durch Jugendaustausch, Partnerschaften, Veranstaltungen und Feste.
Wir wollen das Prinzip der Gastfreundschaft pflegen und „die Welt zu Gast bei Freunden“ (Motto der Fußballweltmeisterschaft 2006) begrüßen.
5.4 Unterstützen
Wir wollen dazu beitragen,
dass Diskriminierung, erzwungene Migration, Flucht und Vertreibungen geächtet und verhindert werden, Betroffene Unterstützung erfahren, Leid und Unrecht wahrgenommen und aufgearbeitet wird und
nicht neue Feindbilder geschaffen bzw. alte weitergepflegt werden.
- Wir richten dabei unser Handeln an aktuellen Erfordernissen aus.
- Wir unterstützen den fairen Handel als Alternative zum freien und zügellosen Handel
der Güter.
- Wir nehmen an Solidaritätsaktionen kirchlicher Hilfswerke und Verbände teil.
- Die Kirchengemeinde ist Mitglied in der Entwicklungsgenossenschaft Oikocredit.
6. Evaluation
Wir wollen pro Jahr
- wenigstens mit einer muttersprachlichen Gemeinde zusammenarbeiten,
- eine Bildungsveranstaltung organisieren,
- ein Begegnungstreffen durchführen,
- uns an einer Solidaritätsaktion beteiligen,
- eine Ausstellung unter weltkirchlichen Gesichtspunkten organisieren,
- finanzielle Mittel für unsere Aktivitäten akquirieren.
Wir wollen
- regelmäßig Gottesdienste mit weltkirchlichem Bezug halten,
- unsere Gemeindemitglieder und die Öffentlichkeit mit Persönlichkeiten der Weltkirche
bekannt machen,
- uns mit der Theologie, Liturgie und Praxis anderer Kirchen vertraut machen,
- uns über die soziale Wirklichkeit anderer Kirchen und Nationen informieren,
- immer wieder dafür sorgen, dass in der Presse weltkirchliche Themen aufgegriffen
werden, denen sonst zu wenig Beachtung geschenkt wird,
- unsere weltkirchlichen Veranstaltungen mit verschiedenen Medien dokumentieren
und dieses Material auch anderen Interessierten zur Verfügung stellen.