Die Welt wird eine andere werden

Reisetagebuch vom 6. April 2016

 

Felix Polten berichtet von der Arbeit mit Flüchtlingen im Kongo und weltweit

 

Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Gemeindesaal in der Elsterstraße, als am Mittwoch letzter Woche der junge Jesuit und gebürtige Griesheimer Felix Polten vor dem Hedwigsforum sprach. Dass bisher noch kein „Reisetagebuch“ so gut besucht war, wie Pfarrer Rolf Glaser bei der Begrüßung anmerkte, verwundert nicht; waren doch viele sichtlich auch gekommen, um „ihren“ Felix in seiner alten Heimat willkommen zu heißen. Dieser hatte sich aus aktuellem Anlass umentschieden und berichtete nicht wie angekündigt ausschließlich über seinen Einsatz im Kongo, sondern stellte die Arbeit des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes insgesamt vor, für den er in dem afrikanischen Land tätig war und für den er gegenwärtig als Flüchtlingsseelsorger in einem Berliner Abschiebegefängnis arbeitet.

Das Selbstverständnis dieser Hilfsorganisation umschrieb Polten mit den drei englischen Schlagworten „to accompany“, „to serve“ und „to advocate“ – zu Deutsch „begleiten“, „dienen“ und „Fürsprache einlegen“: Erst durch die beziehungsstiftende Begegnung und das Teilen des Alltags („begleiten“) könne man wissen, welche Hilfe („dienen“) überhaupt benötigt werde. Da individuelle Not aber zumeist auf gesellschaftliche Missstände zurückzuführen sei, gelte es jedoch ebenso auf eine Veränderung der Strukturen hinzuwirken („Fürsprache einlegen“). Wie dies konkret aussehen kann, zeigte der Jesuit durch Einblicke in sein persönliches Wirken im In- und im Ausland: Das Leben in einem nordkongolesischen Flüchtlingslager genauso wie die Realität der Abschiebehäftlinge von Eisenhüttenstadt. In seinem Schlusswort machte Felix Polten deutlich: Die Flüchtlingsproblematik hat ihre Wurzeln in einer weltweiten Problematik von ungerechtem Wirtschaftssystem, der hinzukommenden Umweltproblematik und den daraus resultierenden Konflikten. Und: Durch die weltweite Migrationsbewegung wird unsere Welt eine andere werden, als sie vorher war.

 

Tobias Maierhofer / Rolf Müller

 

Dieser Artikel von Felix Polten ist in der Weihnachtsausgabe der Zeitschrift "jesuiten weltweit" erschienen

Rundbrief aus dem Kongo zur Flüchtlingsproblematik

Liebe Freundinnen und Freunde vom Hedwigsforum,

 

seit knapp sechs Monaten lebe und arbeite ich nun hier mit JRS. Eine an Begegnungen und Erfahrungen reiche Zeit, wenn auch nicht immer eine leichte Zeit.Im Advent habe ich die vertrauten Traditionen vermisst, die auf das Weihnachtsfest einstimmen. Daher habe ich immer wieder die Advents-gestalten von Alfred Delp gelesen und meditiert. Nun in der Fastenzeit im Zugehen auf Ostern habe ich angefangen die Tradition des Kreuzweges aufzugreifen und mit Menschen und Erlebnissen von hier zu füllen.

Die 14 Kreuzwegstationen blicken intensiv auf Leiden und Tod Jesu, manchmal führt eine 15. Station zu seiner Auferstehung. Und auch schon in den ersten 14 Stationen sind Spuren von Auferstehung zu finden. Leben und Arbeiten im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo ist eine tägliche Erfahrung von Leid und Tod auf der einen und Auferstehung auf der anderen Seite, eine tägliche Erfahrung des Kreuzweges.

 

Erste Station – Jesus wird verurteilt: Die Flüchtlinge und die im eigenen Land vertrieben Menschen hier und weltweit, eine unerträgliche Zahl von etwa 50 Millionen Männern, Frauen und Kindern, sind ebenfalls von bösen Mächten verurteilt. Sie müssen fliehen ohne wirklich zu wissen wohin und wann oder ob überhaupt sie nach Hause zurückkehren können.

 

Zweite Station – Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern: Aber die Menschen lassen sich davon nicht zermürben. Sie machen weiter. Sie bleiben stark. Für sich und für andere.

 

Stationen drei, sieben nd neun – Jesus fällt dreimal unter dem Kreuz: Celéstin blickt auf den Ort, an dem die kleine Hütte aus Stöcken, Lehm und Bananenblättern mit den wenigen Habseligkeiten seiner Familie stand. Nach fünf Tagen im Wald findet er nur noch verkohlte Überreste vor, alles wurde bei einem Überfall von einer der zahlreichen bewaffneten hier operierenden Gruppen verbrannt. Es ist das dritte Mal, dass er und seine Familie ganz neu beginnen müssen. Vor sieben Jahren mussten sie bei einem Überfall auf ihr Dorf fliehen. Nach der überstürzten und verzweifelten Flucht strandeten sie in einem der vielen Lager. Aber das Bleiben dort war nicht von langer Dauer, das Lager wurde überfallen und erneut musste die Familie fliehen. Schließlich kamen sie nach Muhanga, eines der acht Lager, in denen wir von Mweso aus arbeiten. Dort lebten sie einigermaßen in Frieden – nur um wieder alles zu verlieren.

Fünfte Station – Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz zu tragen: Jedes Mal, wenn Zawadi das Stoffband um ihren Kopf legt und den daran befestigten 20l Kanister auf ihren Rücken lädt, weiß sie, dass die 25 Minuten Wegstrecke zurück von der Wasserstelle ziemlich anstrengend werden. Aber das elfjährige Mädchen geht diesen Weg vier Mal die Woche. Und sie geht ihn gerne. Ohne würde ihre 77jährige Nachbarin kein Wasser haben. Igabas Beine tragen sie nicht mehr, alleine lebt die Witwe in ihrer Hütte in einem der beiden Lager von Kalembe.

 Bild oben links: Consolata vor einem von JRS gebauten Haus im Flüchtlingslager Kashuga

Bild oben rechts: Frauen des Alphatesierungs- und Ausbildungsprogramms in unserem Zentrum in Kashuga
Bild unten links: Das JRS Mweso Team in unserem kleine Garten

Bild unten rechts: Zu Besuch im Flüchtlingslager Mokoto mit dem Internationalen Direktor des JRS

 

Sechste Station – Veronika reicht Jesus das Schweißtuch: Unsere Arbeit in den Lagern gestalten wir von unserem Hauptbüro aus. Es gibt mit Bildung, Notfallhilfe, Existenzgrundlage und Psychosozialem Dienst vier Arbeitsbereiche, die jeweils von einer Person verantwortet werden. Consolata leitet seit über zwei Jahren die Notfallhilfe. Ein Teil ihrer Arbeit ist die Sorge um die plus vulnerables, also um die, die in den Lagern wegen Alter, Krankheit, Behinderung, Alleinsein nochmals unter erschwerten Bedingungen leben. Wenn ich mit Consolata durch die Lager gehe um die Menschen zu besuchen, wird sie ständig freudig gegrüßt und Lachen zieht in die Gesichter ein, denn die Menschen schätzen sie sehr für ihre zuverlässige und nahe Begleitung. Vor einer Hütte sprechen wir mit Sifiwe, einer alten alleinstehenden kranken Frau, die zu den plus vunerables gehört. Irgendwann sieht Consolata neben der Hütte die Wanne mit schmutziger Wäsche und beginnt sie für Sifiwe zu waschen, für die das ob ihrer Schwäche eine große Anstrengung ist. Erst nachdem die Wäsche gewaschen und zum Trocknen ausgelegt ist, verabschieden wir uns.

 

Achte Station – die weinende Frauen: Unser kongolesischer Mitbruder Pascal und ich bilden unsere kleine Jesuitenkommunität. Er hat gemeinsam mit mir hier begonnen und zusammen leben wir auf dem JRS Gelände, auf dem sich auch das Büro befindet. Er ist der Leiter von JRS Mweso und bereits Priester. Als solcher war er gebeten worden einen im Sterben liegenden Mann zu taufen. Wir sind gemeinsam zur Hütte von Christian und seiner Familie gegangen, Pascal hat ihn getauft, ihm die Erste Kommunion gespendet sowie die Krankensalbung. Christian, ein Mann in den 30ern, so schwach auf einer Matte auf dem Boden liegend zu sehen, dass er sich kaum bewegen konnte war eine Erfahrung von Tod mitten im Leben. Aber auch von Leben im Angesicht des Todes, denn es war so deutlich zu spüren, wie wichtig, wie tröstend und wie Hoffnung spendend die Begegnung, die Sakramente und das Gebet für ihn und seine Familie waren.

 

Elfte Station – Jesus wird ans Kreuz genagelt: Franziska leitet die Existenzgrundlage, in dem Alphabetisierungs- und Ausbildungskurse angeboten werden. In den acht Lagern arbeiten wir von sechs Zentren aus. Die Zentren sind jeweils ein kleines Gelände mit drei bis vier Klassenräumen für die Kurse. Die Kurse werden von Menschen geleitet, die selbst in den Lagern leben. Für sie bedeutet das ein Einkommen und eine Beschäftigung, für die Teilnehmer neues Selbstvertrauen und neue Perspektiven. Es sind vor allem Frauen, die Franziska begleitet. Ihr Stand ist hier besonders schwer, zum einen sind sie in der Regel schlechter gebildet/ausgebildet als die Männer und zum anderen sind sie oft Opfer sexueller Gewalt. Franziska hat mir erzählt, dass die Mehrzahl der Frauen aufgehört hat unter ihren Kleidern Unterwäsche tragen: Bei den Vergewaltigungen sind die Männer gewalttätiger, wenn es wegen der Kleidung umständlich ist.

 

Zwölfte Station – Jesu Tod am Kreuz: Man geht davon aus, dass der gesamte Konflikt, der mit dem Genozid in Ruanda 1994 begann, etwa fünf Million Menschenleben gekostet hat. Nach wie vor ist die Region instabil und gewalttätig, kommen Menschen um, kommt es zu Vertreibung und Flucht.

 

Vierzehnte Station – Der heilige Leichnam Jesu wird in das Grab gelegt: Am Mittwochabend gegen 21:30 war ich im Büro in Mweso, als ich in der Nähe unseres Geländes Schüsse hörte. Ich bin dann ins Haus zu Pascal, auch er hatte sie gehört. Nach und nach stellte sich heraus, dass sie in der Pfarrei (unser Nachbargelände) abgefeuert wurden. Wir haben dann den Pfarrer (Gabriel) angerufen, der in Goma war, um ihn darüber zu informieren und um die Nummer einer der Vikare, Jean Paul, zu bekommen, da dieser in Mweso war. Als uns Gabriel dann die Nummer gerade schicken wollte stellte sich heraus, dass es Jean Paul selbst ist, der mit vier Schüssen in den Rücken aus nächster Nähe am Sakristeieingang erschossen wurde. Die ganze Nacht dann Spekulationen, Gespräche, Anrufe. Der Leichnam wurde dann in der Kirche aufgebahrt, die Menschen haben die ganze Nacht gebetet. Am nächsten Morgen war dann eine kurze Liturgie und wir sind mit dem Leichnam nach Goma. Dort wurde er am Freitag in der Kathedrale aufgebahrt. Am Samstag waren Requiem und Beerdigung, beides eigentlich wieder recht friedlich und von Auferstehung geprägt.

 

Moambis weiße Bluse strahlt hell in der Morgensonne von Kashuga. Und sie strahlt mit Stolz in ihrer Schuluniform – sie kann nach zwei Jahren endlich wieder in die Schule gehen. Moambi ist einer von über 2,7 Millionen Menschen, die als Flüchtlinge im eigenen Land in der Demokratischen Republik Kongo leben. Sie und ihre Familie sind von zu Hause geflohen nachdem ihr Dorf überfallen wurde. Alles zurückgelassen musste sie bei null beginnen. Die Schulgebühren führten dazu, dass nur Maombis Brüder zur Schule gingen. Ihre Eltern hatten nicht genug Geld und hielten die Schulbildung ihrer Brüder für wichtiger. Nach zwei Jahren ist die Familie einigermaßen etabliert und auch Maombi kann zur Schule gehen. Ohne verlässliche Schulbildung aufzuwachsen ist das Los vieler Kinder. Die Gründe sind Legion: Viele Familien können die Schulgebühren nicht bezahlen. Andere könnten, haben aber nicht genug Geld für Schuluniform oder Schulmaterialen. In anderen Familien müssen die Kinder arbeiten um die Familie mitzuernähren. Waise oder verlassene Kinder müssen sich und/oder ihre Geschwister durchbringen. Schulen sind zerstört oder schlecht ausgestattet. Lehrer sind schlecht ausgebildet. Kinder sind Soldaten. Was auch immer die Gründe sind, Schulbildung ist ein Menschenrecht und „gibt Hoffnung für eine bessere Zukunft außerhalb des Camps“, wie Maombi es kurz und knapp formuliert. In Mweso bin ich für den Bereich Bildung zuständig, in dem wir Schulen bauen, Lehrer fortbilden, Schulen unterstützen, Familien unterstützen, Aufklärungsarbeit leisten und nun eine Online-Universität starten.Das, wie die andere Arbeit von JRS, bei der ich oft an Sisyphos denken muss, versucht an dieser Zukunft mitzubauen. Eine Zukunft der Auferstehung und des Lebens. Denn bei all den alltäglichen Auferstehungsmomenten haben die Menschen die Notwendigkeit einer wirklichen Auferstehung. Die Auferstehung ins ewige Leben nach dem Tod, aber auch schon heute in diesem Leben. Auf dass das Reich Gottes Wirklichkeit wird. Auf dass Gottes Idee der einen großen Menschheitsfamilie Wirklichkeit wird. Auf dass Leben, Liebe und Frieden das letzte Wort haben – wie an Ostern.

 

Ich wünsche Ihnen/Euch gesegnete Kar- und Ostertage und bitte Sie/Euch um Ihr/Euer Gebet für die Menschen auf der Flucht, für unsere Arbeit und für mich. Herzlichst, Ihr/Euer             Felix Polten SJ

Felix Polten

- aus unserer Gemeinde - ist für drei Jahre beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst im Kongo tätig.

Wo befindet sich Felix Polten in Afrika und welche Probleme bestehen dort:

P. Peter Balleis SJ, Direktor des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten (JRS):

"Seit fast 20 Jahren herrscht nun schon Krieg in Nord-Kivu. Die Ursachen sind vielfältig und vielschichtig. Eine Jugendliche in Masisi sagte mir, dass einfach zu viele Waffen in den Händen der Leute sind. Keiner will die Kalaschnikow abgeben, weil man ja nicht weiß, ob man sie doch noch gebrauchen kann. Die anderen Gründe sind Mineralien, ethnische Verschiedenheit, Streit um Land als Ressource, das Versagen des kongolesischen Staates, die regionale Politik von Uganda und Rwanda, die aktiv in den Konflikt verwickelt sind."

Bericht von Felix Polten aus dem Kongo (9.12.1014):

Liebe Freundinnen und Freunde vom Hedwigsforum,

 

seit gut zwei Monaten bin ich nun mit dem Jesuiten Flüchtlingsdienst (JRS) in Nord-Kivu im Einsatz und ich kann sagen, dass es bisher eine gute Zeit war. Mit viel Unterstützung der Menschen hier konnte ich gut angekommen und mich gut einleben.

Mittlerweile sind wir mitten im Advent, den ich immer und speziell hier als eine besondere Zeit erlebe. Der Advent als Zeit der großen Erwartungen, die in diesen Tagen allgegenwärtig sind. Der Advent als Zeit des großen Versprechens Gottes Mensch zu werden und so alles zu verändern. Der Advent als Zeit der Lesungen aus Jesaja mit all den großen Verheißungen einer Zukunft, die licht für alle ist und in der niemand mehr in Dunkelheit lebt. Erwartungen, Versprechungen, Verheißungen – alle diese Begriffe gründen in der Hoffnung. In der Hoffung, dass die Dinge nicht so bleiben müssen wie sie sind, sondern dass sie sich zum Guten hin ändern können und werden. Es tut gut diesen Advent als Zeit der Hoffnung zu leben, nicht zuletzt weil die Hoffnung einer der Werte des JRS sind.

Die Situation in Nord-Kivu gibt mitunter nicht viele Gründe für Hoffnung. Das Leben der Menschen ist hart, nochmal härter ist es für die Flüchtlinge und insbesonders für die Frauen. Zu Tausenden leben sie in den Lagern, weit weg von zu Hause, ohne Gewissheit ob und wann zurück. Kleinste Verschläge ohne Strom und Wasser sind ihre Behausung. Für Essen und ein paar Haushaltsgegenstände müssen sie in langen Schlangen anstehen. Am Zermürbensten dabei ist die Unsicherheit als ihr alltäglicher Begleiter: Wie werde ich meinen Kindern morgen zu essen geben? Wie werde ich für sie im nächsten Monat das Schulgeld zahlen? Was wird heute Nacht passieren – wird unser Lager von einer der zahlreichen bewaffneten Gruppen überfallen? Was werde ich tun, wenn das nächste Gewitter unsere kleine Hütte zerstört? Es sind viele Fragen wie diese, die die Verheißung einer lichten Zukunft verdunkeln, die eher Veränderung zum Schlechten versprechen, die keinen Raum für große Erwartungen lassen.

Aber die Menschen lassen sich davon nicht zermürben. Sie machen weiter. Sie bleiben stark. Sie behalten die Hoffnung. Ich lerne in diesen Tagen viel von ihnen, was es heißt wider alle Hoffnung zu hoffen. Auf der anderen Seite ist es eine unserer wichtigsten Aufgaben als JRS den Flüchtlingen zu helfen diese Hoffnung wider alle Hoffnung am Leben zu erhalten. Eine Hoffnung, dass tatsächlich Zeiten der Gerechtigkeit kommen werden, Zeiten der getrockneten Tränen, Zeiten des Lebens, in denen ihre Würde nicht mehr verletzt wird. Und dass es lohnt diese Zukunft vorzubereiten. Die wichtigste Säule des JRS dazu ist sie zu begleiten, ihr Leben zu teilen, sie zu begleiten mit Leidenschaft, in Solidarität, durch Gastfreundschaft und unter Beteiligung (als weitere Werte des JRS). Als weitere Säulen kommen der Dienst und das Verteidigen und Einfordern ihrer Rechte hinzu, beide erwachsen aus dem Begleiten, denn durch das Begleiten kommt das Wissen um ihre Nöte und Bedürfnisse. Konkrete Maßnahmen sind dann beispielsweise das Verteilen von Nahrungsmitteln, die Ermöglichung von Bildung und Ausbildung, das Gewähren von Schutz durch Präsenz und Öffentlichkeitsarbeit und das Bauen von Häusern. Die Augen des Glaubens und das Herz des Gläubigen können in all diesen kleinen Schritten eine geöffnete Tür in die Zukunft sehen, auch wenn die Umstände viel größer als sie erscheinen. Und so erlebe ich Hoffnung in diesem Advent als ein gegenseitiges Geschehen von Hoffnung empfangen und Hoffnung geben, das die Hoffnung leben und wachsen lässt.

Drei Beispiele des Begleitens als wichtigste Säule des JRS möchte ich teilen.

1. Am 14. November, anlässlich des Geburtstags des ehemaligen Generaloberen der Gesellschaft Jesu und des Gründers des JRS Pedro Arrupe, haben wir ein Fest veranstaltet. Über 150 Mitarbeiter, Freunde, Unterstützer, Vertreter von anderen NGO, der Kirche und der Politik waren zu Gast, gemeinsam haben wir Messe gefeiert und anschließend gegessen. Im Laufe des Nachmittages haben wir den offiziellen Teil der Veranstaltung beendet und nur noch unser Team aus Mweso und unsere Mitarbeiter aus den Lagern, die alle Flüchtlinge sind, sind geblieben. Mit ihnen haben wir den ganzen Abend bis in die Nacht hinein getanzt, gelacht und unsere Freundschaft sowie das Lebens selbst gefeiert – eine schöne Erfahrung von Begleitung.

2. Unsere Arbeit in den Lagern gestalten wir von unserem Hauptbüro in Mweso aus. Es gibt mit Bildung, Notfallhilfe, Existenzgrundlage und Psychosozialem Dienst vier Arbeitsbereiche, die  jeweils von einer Person verantwortet werden. Mit Consolata, die für den Bereich Notfallhilfe zuständig ist, besuche ich regelmäßig die Lager. Consolata arbeitet seit über zwei Jahren für den JRS in Mweso. Ein Teil ihrer Arbeit ist die Sorge um die plus vulnerables, also um die, die in den Lagern wegen Alter, Krankheit, Behinderung, Alleinsein durch den Verlust von Familie, nochmals unter erschwerten Bedingungen leben. Wenn ich mit Consolata durch die Lager gehe um die Menschen zu besuchen, wird sie ständig und freudig gegrüßt und Lachen zieht in die Gesichter ein, denn die Menschen schätzen sie sehr für ihre über zweijährige zuverlässige nahe Begleitung. Vor einer Hütte sprachen wir mit Sifiwe, einer alten alleinstehenden kranken Frau, die zu den plus vunerables gehört. Consolata sprach und scherzte mit ihr und es war schön die beiden herzlich lachen zu sehen. Irgendwann sah Consolata neben der Hütte die Wanne mit schmutziger Wäsche und begann sie für Sifiwe zu waschen, für die das ob ihrer Schwäche eine große Anstrengung ist. Erst nachdem die Wäsche gewaschen und zum Trocknen ausgelegt war, haben wir uns verabschiedet und weitere Menschen besucht. Diese Art des Begleitens macht JRS zum dem was es ist.

3. In Mweso lebe ich mit Pascal, einem kongolesischen Mitbruder. Er hat gemeinsam mit mir hier begonnen und zusammen bilden wir eine Zweierkommunität, die sich direkt neben unserem Büro befindet. Er ist bereits Priester und als solcher war er gebeten worden einen im Sterben liegenden Mann zu taufen. Wir sind gemeinsam zur Hütte von Christian und seiner Familie gegangen, Pascal hat ihn getauft, ihm die Erste Kommunion gespendet sowie die Krankensalbung.  Christian, ein Mann in den 30ern, so schwach auf einer Matte auf dem Boden liegend zu sehen, dass er sich kaum bewegen konnte war eine Erfahrung von Tod mitten im Leben. Aber auch von Leben im Angesicht des Todes, denn es  war so deutlich zu spüren, wie wichtig, wie tröstend und wie Hoffnung spendend die Sakramente und das Gebet für ihn und seine Familie waren. Eine tiefe Erfahrung was Begleitung bedeuten kann.

Der Advent als Zeit der Hoffnung kann nicht ohne sein Ziel und ohne den Grund seiner Hoffnung begangen werden: Weihnachten, die Menschwerdung Gottes. Durch die Menschwerdung Gottes in der Geburt Jesu Christi ist Gottesbegegnung in jedem Menschen zu jeder Zeit möglich. Bei einem meiner Besuche in den Lagern hat sich irgendwann ein Kind getraut mich an der Hand zu nehmen und dann hatte ich an jeder Hand drei bis vier Kinder. Ich habe ein wenig Engelchen Engelchen flieg gespielt und sie haben sich so gefreut. Und ich habe geweint (still und unmerkbar nur für mich). Ich war überwältigt von Trauer, Wut, Hilflosigkeit, aber auch Frieden – denn ich hatte das Gefühl Gott selbst hat mich gerade in den kleinen wehrlosen Kindern an der Hand genommen und sich gefreut, dass ich nun ein paar Schritte mit Ihm gehe. Mit dieser Erfahrung wünsche ich Ihnen einen gesegneten Advent und ein gesegnetes Weihnachtsfest.

 

Ich bitte sie herzlich um Ihr Gebet für die Flüchtlinge hier in Nord-Kivu und weltweit, aber auch für uns und unsere Arbeit als JRS.                        Herzlichst, Ihr/Euer     Felix Polten SJ

Die Augen des Glaubens sind also fähig, das Unsichtbare zu sehen, und das Herz des Gläubigen kann hoffen gegen alle Hoffnung, genau wie Abraham, von dem Paulus im Brief an die Römer sagt: “Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt” (4,18).                       -Benedikt XVI-

1.10.2014 Pfarrer Rolf Glaser: Kurz vor seiner Abreise in den Kongo ließ uns Felix Polten diese Zeilen zukommen: „…Schon jetzt kann ich sagen, dass ich dem Hedwigsforum bei passender Gelegenheit gerne einen Bericht zukommen lassen werde. In Verbindung damit habe ich eine Bitte: Könntest Du bei passender Gelegenheit die Gemeinden von mir grüßen und sie um ihr Gebet bitten? Nach wie vor fühle ich mich mit Sankt Hedwig und Mariä Himmelfahrt verbunden…“

Homepage der Gemeindestandorte Mariä Himmelfahrt und St. Hedwig
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