Ausstellung
Das Hedwigsforum und die Ackermann-Gemeinde freuen sich, die Ausstellung
vom 1. bis 23. September 2018 in der Kirche Mariä Himmelfahrt
Linkstraße, 65933 Frankfurt/M.-Griesheim
zeigen zu können.
Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr,
sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Nach dem bewegenden und sehr gut besuchten Gottesdienst für die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt (Bericht siehe hier) wurde am 1. September 2018 die Ausstellung „Zeugen für Menschlichkeit - Christlicher sudetendeutscher Widerstand“ in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Frankfurt-Griesheim eröffnet.
Peter Hoffmann, stellvertretender Vorsitzender des Hedwigsforums und Diözesanvorsitzender der Ackermann-Gemeinde Limburg (links) begrüßte die rund 50 BesucherInnen und die Ehrengäste. Darunter waren Rudolf Friedrich (Ehrenvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, Landesbeauftragter der Hessischen Landes-regierung a.D., Frankfurt a.M.), Michael Riedel (Vorsitzender der Eichendorff-Gilde der Schlesier, Frankfurt) und der Pallottiner Prof. em. P. Dr. Manfred Probst SAC, der die so genannte „Positio“, eine Zusammenfassung aller Dokumentationen über P. Richard Henkes aus dem Westerwald, nach Rom weiterleitete. Seitdem unterstützt er das Voranschreiten des Seligsprechungsprozesses als Vizepostulator.
P. Dr. Manfred Probst brachte Informationsmaterial und die von ihm verfasste Biografie mit und berichtete sehr lebendig von dem spannenden Verfahren der Seligsprechung aus erster Hand:
Ein starker Impuls, P. Henkes seligzusprechen, kam aus den Reihen der ehemaligen Priester-Häftlinge von Dachau nach ihrer Begegnung im Jahr 1980 mit Papst Johannes Paul II. in Fulda.
Im Jahr 1985 richtete diese Priestergruppe ein Gesuch an den damaligen Limburger Bischof Franz Kamphaus, den Seligsprechungsprozess für P. Henkes einzuleiten.
Ein weiterer wichtiger Impuls kam aus Tschechien: Der Bischof von Pilsen / Plzeň František Radkovský sagte zum fünfzigsten Todestag von P. Richard Henkes in der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Pallottiner in Vallendar im Jahr 1995, P. Henkes sollte seliggesprochen werden und schrieb im Namen der Tschechischen Bischofskonferenz einen Brief an den Provinzial der Limburger Pallottinerprovinz.
P. Henkes steht für die deutsch-tschechische Versöhnung und ist eine der Personen, die in der Ausstellung vorgestellt werden.
(Weitere Informationen finden Sie auf: https://pater-richard-henkes.de)
Marie Smolková (Assistentin des Bundes-geschäftsführers der Ackermann-Gemeinde, München/Prag) erinnerte in ihrer Eröffnungsrede an das vor 80 Jahren unterzeichnete Münchner Abkommen: die Sudetengebiete wurden Teile des „Reichsgebietes“. Kurz darauf erfolgte der erste Transport aus dem Sudetenland in das Konzentrationslager Dachau.
Nicht alle wollten „heim ins Reich“. Gegen das Repressionsregime gab viele Formen des Widerstands, auch bei deutschen und tschechischen Christen verschiedener Konfessionen. „Es waren Personen unter-schiedlichster Herkunft, die hierfür Mut zeigten: vom einfachen Kleinbauern bei Nikolsburg/ Mikulov bis zum Prager Universitätsdozenten, von der Schulleiterin und Ordensschwester in Marienbad/Mariánské Lázně bis zum Krankenhaus-Chefarzt, von der kleinen Ladenbesitzerin in Karlsbad/Karlovy Vary bis zum katholischen ‚Staffelsteiner‘ in der ‚Freiheitsbewegung Österreich‘.“ (Dr. Otfrid Pustejovsky).
Die Ausstellung „stellt zehn Persönlichkeiten vor, die sich aus christlicher Überzeugung gegen den Nationalsozialismus gestellt haben und so Opfer dieses menschenverachtenden Regimes wurden. Es handelt sich um fünf Priester, zwei Ordensfrauen und drei Laien, die noch heute mit ihrem Lebenszeugnis, dargestellt in Texten und Bildern, Beispiel und Vorbild sein sollen. (…) Keine der vorgestellten Personen durfte das Ende des Nationalsozialismus erleben. Sie starben schon vorher in den Konzentrationslagern oder wurden hingerichtet. An sie und darüber hinaus an alle weiteren christlichen sudetendeutschen NS-Gegner der Jahre 1938 bis 1945 wollen die Ausstellung und der Katalog erinnern. So bildet eine lange Liste aller bisher bekannten Namen den Abschluss des Kataloges“ und der Ausstellung.
Der christliche sudetendeutsche Widerstand ist bisher nur unzureichend wissenschaftlich aufgearbeitet. Die Initiatoren der Ausstellung erhoffen sich daher, mit ihr einen Impuls zur Veränderung zu geben.
(Quelle: www.ackermann-gemeinde.de/sonstiges/sonderseiten/header-4-austellung-zeugen-fuer-menschlichkeit.html)
Schirmherren der Ausstellung sind der Ministerpräsident der Tschechischen Republik Bohuslav Sobotka und der Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz Kardinal Dominik Duka. Die Ausstellung knüpft an Initiativen früherer tschechischer Regierungen an.
Die Ausstellung stellt in Lebensbildern folgende zehn Personen vor:
Engelmar Hubert Unzeitig — Ein Märtyrer der Christenheit
1.3.1911 Greifendorf (Hradec nad Svitavou) – 2.3.1945 KZ Dachau
Richard Henkes — Ein Apostel der deutsch-tschechischen Versöhnung
26.5.1900 Ruppach – 22.2.1945 KZ Dachau
Roman Karl Scholz — Weltgewandter Widerständler und tief christlicher Chorherr
16.1.1912 Mährisch Schönberg (Šumperk) – 10.5.1944 Wien
Augustinus Franz Schubert — Ein zweisprachiger Priester, in zwei Welten zuhause
14.5.1902 Prag-Žižkov – 28.7.1942 KZ Dachau
Karl Schrammel — Singfreudiger Musiker, freimütiger Priester
22.9.1907 Friedeck (Frýdek) – 5.2.1945 KZ Buchenwald
Maria Restituta Helene Kafka — Eine lebensfrohe, opferbereite Ordensfrau
1.5.1894 Hussowitz bei Brünn (Husovice u Brna) – 30.3.1943 Wien
Epiphania Barbara Pritzl — Begeisterte Lehrerin, couragierte Schulschwester
26.8.1881 Hirschau (Hyršov) – 18.3.1944 KZ Ravensbrück
Eduard Schlusche — Furchtloser Buchhändler und christlicher Kämpfer
12.10.1894 Bennisch (Horní Benešov) – April 1945 KZ Neuengamme - Ostsee
Josef Tippelt — Lehrer, Christ und ungewollter Held
30.8.1908 Marschendorf (Horní Maršov) – 6.3.1943 Berlin-Plötzensee
Hanns Georg Heintschel von Heinegg — Patriot und sensibler Lyriker, standhafter Christ
5.9.1919 Kneschitz (Kněžice) – 5.12.1944 Wien
Der Katalog zur Ausstellung ist für 8 € in den Pfarrbüros erhältlich.
Fotos und Text: Barbara Sadrina-Wagner
Mehr zur Austellung auf der Webseite der Ackermann-Gemeinde:
Am 1. September 2017 fand der traditionelle Friedensgottesdienst für die Opfer von Krieg, Terror und Gewalt in der Kirche Mariä Himmelfahrt, Frankfurt-Griesheim statt. Hauptzelebrant war Pfarrer Klaus Wüst. Monsignore Dr. Henryk Bolczyk konzelebrierte als Vertreter der polnischen Christen. Auch Pfarrer Vincent Jijingi ließ es sich nicht nehmen, am Gottesdienst mitzuwirken. Dr. Jörg Lüer, Leiter des Berliner Büros der Deutschen Kommission Justitia et Pax und stellvertretender Vorsitzender der deutsch-polnischen Maximilian-Kolbe-Stiftung, eröffnete den Gottesdienst mit einer Statio. Angelika Polten vom Liturgieausschuss, die den Gottesdienst maßgeblich vorbereitet hatte, und Pastoralreferent Helmut Preis führten durch die Liturgie.
Im Anschluss an den Gottesdienst wurde die Ausstellung Pojednanie / Versöhnung in Progress der Maximilian-Kolbe-Stiftung im Josefshaus eröffnet. Durch den Abend führte Peter Hoffmann, stellvertretender Vorsitzender des Hedwigforums und Diözesanvorsitzender der Ackermann-Gemeinde Limburg.
Dr. Bernadette Weyland, OB-Kandidatin der CDU für Frankfurt, sprach ein Grußwort. Sie kam unmittelbar nach Ihrer Verabschiedung als Staatssekretärin im hessischen Finanzministerium. Mit den Worten: "Das interessiert mich!" sagte sie ihre Teilnahme jedoch sofort zu, als Peter Hoffmann sie einlud.
Schließlich eröffnete Dr. Jörg Lüer die Ausstellung mit Erläuterungen zu deren Entstehung. Er ist der maßgebliche Planer und Organisator der Ausstellung seitens der Deutschen Bischofskonferenz. Versöhnung geschehe, indem Konflikte und Kontroversen nicht gemieden, sondern konstruktiv gelöst würden und man sich mit Respekt begegne. Dies verdeutlichte er am Prozess der deutsch-polnischen Versöhnung, der immer noch anhält.
Monsignore Dr. Henryk Bolczyk im Gespräch mit Barbara Schiller und Erich Misterek vom Hedwigsforum.
Herwig Steinitz (links) von der Ackermann-Gemeinde und Mitglied des Hedwigsforums war ebenfalls an der Konzeption der Ausstellung beteiligt.
Siehe auch den Bericht über die Veranstaltung auf der Homepage der Gemeinde Mariä Himmelfahrt.
Hier weitere Impressionen:
Die Schauspieler:
Zum Inhalt und dem Namen "Ackermann-Gemeinde":
Bildergalerie der Theateraufführung:
Weitere Informationen siehe Presseartikel:
http://www.kreisblatt.de/lokales/main-taunus-kreis/Zu-Begegnungen-anregen;art676,843361
siehe Bildergalerie der Eröffnungen der Ausstellungen:
Freiheit & Dienst
Fastenpredigt in St. Hedwig
vorgetragen von Maximilian Wekenborg, Bremen
Das gerade gehörte Lied „Pra não dizer que não falei das flores“ stammt vom brasilianischen Künstler Geraldo Vandré. Nach meinem Schulabschluss habe ich mich entschieden, ein Jahr in seinem Heimatland zu verbringen. Beim Bistum Osnabrück habe ich mich für einen so genannten Freiwilligen Dienst im Ausland beworben. Und so war ich von 2008 bis 2009 in Maranhao, im Nordosten Brasilien, an einer Familienlandwirtschaftsschule.
Als ich mich dazu entschieden habe, war mir nicht wirklich bewusst was es heißt. Ich wollte nach Brasilien. Das war für mich klar. Für ein Jahr mal ganz anders leben, Eindrücke sammeln, Erfahrungen machen.Sicherlich schwang die Idee vom Abenteuer mit. Brasilien. Amazonas. Regenwald. Eine ganz andere Welt. Fußball. Karneval. Strand. Einfach mal etwas Neues kennen lernen. Dann war da auch noch die Idee, mit anzupacken, mitzumachen. Vielleicht auch der Wunsch zu Helfen.
Heute stehe ich hier und habe ein Jahr in Brasilien meinen Freiwilligendienst verbracht, arbeite seit meiner Rückkehr in der Leitung von zukünftigen Freiwilligen mit und bin immer noch über verschiedene Projekte mit Brasilien verbunden. Eines dieser Projekte ist die Schreinerei Doetyro in Pari Cachoeira im Amazonas. 2012 bekamen Erich Misterek und ich, auch durch Ihre Unterstützung, die Chance, für einige Monate mit den Menschen dort zu leben und zu arbeiten.
Freiwilliger Dienst im Ausland. Schon im Namen steckt für mich ein kleiner Konflikt. Mache ich es freiwillig? Oder ist es ein Dienst? Ein Dienst für wen? Habe ich Pflichten als Freiwilliger? Was ist überhaupt die Idee hinter diesem Konzept? Meine Vorstellung eines Freiwilligendienstes stand bei der Ausreise. Es war eine Mischung aus verschiedenen Motivationen. Ein ganz klarer Aspekt war Abenteuer. Ein fernes Land sehen, etwas das ganz anders ist! Bevor das strikt durchorganisierte Leben losgeht nach dem Abi, mal ein Jahr Pause machen und was erleben. In meinem Kopf schwirrten seit meiner Kindheit Geschichten über Brasilien herum. Meine Mutter war in ihrer Jugend ebenfalls für ein Jahr dort und auch die Erzählungen und Geschichten von Rolf Glaser, Hans Josef Wüst und Thomas Schmidt haben mich geprägt, haben mir Lust gemacht auf dieses Land Brasilien! Gleichzeitig wollte ich mehr als herumreisen. Ich wollte mich „sozial engagieren“ wie es so schön heißt.
Heute sehe ich die Sache in einigen Aspekten etwas differenzierter und in anderen gleich wie vor sechs Jahren. Eine zentrale Idee ist aus meiner Sicht, dass junge Menschen begrenzt für ein Jahr in einer anderen Kultur mit leben. Neue Eindrücke sammeln - und auch den Leuten vor Ort Eindrücke aus der eigenen Heimat zeigen können. Aus meiner heutigen Sicht ist dieses Miteinander lernen das große Hauptziel. Und so verstehe ich den "Freiwilligendienst im Ausland" mehr als einen "Lerndienst im Ausland". Gleichzeitig bin ich immer noch der Meinung: Man soll Spaß haben, man soll noch mal etwas ganz Anderes kennen lernen – und auch im geschützten Rahmen ein Abenteuer erleben.
Die Reaktionen meines Umfeldes auf meinen Wunsch nach Brasilien zu reisen waren unterschiedlich. Sie reichten von Zustimmung und klarer Unterstützung, über Skepsis und Respekt vor dem Jahr fernab der Heimat, bis zu Aussagen "Warum musst du denn bis nach Brasilien und kannst nicht hier etwas nützliches machen – im Altenheim, Kindergarten, Pflegeheim". Damals habe ich mich tierisch aufgeregt. Engstirnig fand ich diese Frage. Man muss doch „Verantwortung für die eine Welt“ übernehmen. Heute sehe ich das anders. Ein Bekannter erzählte mir von einer Begegnung mit einem Bischof in Kolumbien. Mit der Armut konfrontiert fragte mein Bekannter, was er tun könne um zu helfen. Der Bischof antwortete hm „Wenn du etwas für uns unternehmen möchtest, mache es für die Armen in deinem Land! Aber tue nicht etwas für die Armen in deiner Stadt, sondern geh zu den Armen in deiner Stadt“.
Wenn ich heute meinen Freiwilligen Dienst beschreiben sollte, so würde ich damit beginnen, zu erzählen, dass ich für 1 Jahr in der Familienlandwirtschaftsschule Capinzal do Norte mitarbeiten und auch mit leben durfte. Die Töchter und Söhne von Kleinbauern kamen hier für zwei Wochen, um normalen Schulunterricht zu besuchen und ergänzend praktischen Unterricht in nachhaltiger Landwirtschaft zu bekommen. Anschließend fuhren sie für zwei Wochen nach Hause und sollten das Erlernte in der Praxis erproben. Es waren also stets zwei Wochen in der Schule und zwei Wochen zu Hause im Wechsel. Die Schule war idyllisch, 7km bis zur nächsten Kleinstadt, auf einem schuleigenen Gelände von 100 Hektar gelegen. Zur Schule gehörten Unterrichtsräume, Schlafsäle, die Küche mit dem Speisesaal, ein kleines Lehrerzimmer, eine Bibliothek, Felder, Plantagen sowie ein Waldreservat. Und ein Fußballplatz durfte natürlich auch nicht fehlen.
Meine Idee in Deutschland war klar. Den Englischunterricht aufpeppen. Schließlich hatte ich selbst 13 Jahre Unterricht in der Schule. Zusätzlich hatte ich vor meiner Ausreise mit nach deutschen Maßstäben gut ausgebildeten Lehrern gesprochen und somit den Koffer voller Methoden und pädagogischen Ideen. Gleiches galt für die Landwirtschaft. Ich hatte verschiedenste Ideen, was man pflanzen könnte, was bestimmt gut wächst im Nordosten Brasiliens und sogar einige Samen vor meiner Ausreise besorgt.
Den anfänglichen Übermut, dass ich in Brasilien große Sachen bewegen werde, habe ich schnell fallengelassen, als ich im August 2008 in Capinzal do Norte ankam. Die ersten Worte „Seja bem vindo, ficamos muito contento com a sua chegada“ konnte ich nur mit einem Nicken beantworten – ich verstand kein Wort. Mit Scham musste ich feststellen, dass die ersten vier Kapitel des Buches "brasilianisch für Kurzentschlossene“ anscheinend nicht ausreichen würden, um sich hier zu verständigen. Erst später erfuhr ich, dass die Frau, die mich mit unglaublicher Herzlichkeit empfing, Ana hieß und eine der Lehrerinnen meines neuen Zuhauses für ein Jahr war. Sie begrüßte mich mit den Worten „Herzlich Willkommen – wir haben uns auf dich gefreut!“
Dieses „Wir“ war die erste zentrale Erkenntnis für mich und die Erfahrungen, die ich in meinem Jahr in Brasilien gemacht habe. Was ich in diesem Jahr zu schätzen gelernt habe, ist es, miteinander zu leben. In einer Gemeinschaft zu leben. In dieser Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Und dies erfuhr ich von Anfang an. Jedes Jahr aufs Neue kommt ein Freiwilliger aus Deutschland, der die Sprache nicht kann. Überspitzt kann ich für mich sagen: Ich konnte überhaupt nichts! Ich konnte mich anfangs nicht verständigen. Ich konntet kein Schlagbeil, Spitzhacke und Machete bedienen, die dort für die Landwirtschaft unabdingbar sind. Ich konnte nicht einmal einen anständigen Knoten machen um meine Hängematte aufzuhängen und einen Schlafplatz zu haben. Und nach einigen Partien war auch allen klar, dass ich nicht einmal besonders gut Fußball spielen kann.
Doch bis aufs Fußballspielen lernte ich alles – oder besser gesagt, bis aufs Fußballspiel wurde mir alles beigebracht. Durch die neugierige und interessierte Art der Schülerinnen und Schüler, die immer um mich herum waren – und durch Vivi, eine der Portugiesischlehrerinnen und später einer meiner besten Freunde, lernte ich die Sprache. Langsam aber stetig. Valdecy, Elcias und Seu Julio zeigten mir, als wäre ich einer der Schüler, wie man die Handwerkszeuge anfasst, benutzt und wann man welches einsetzt. Einen routinierten und effektiven Umgang wie die Kinder, die von klein auf an diese Geräte gewöhnt waren, erreichte ich allerdings in dem Jahr nicht. Auch den Hängemattenknoten lernte ich und profitiere heute noch davon, wenn ich mal zu viel von der Uni habe und einfach mit dem Rad aufs Land fahren kann und an jedem Baum meine Hängematte aufspannen kann.
Als zweite Erfahrung möchte ich den Verzicht nennen. - Ich möchte ganz klar sagen, dass es mir hier nicht um Sozialromantik geht. Damit meine ich Aussagen wie: Die Leute sind arm aber tanzen an Karneval Samba. Das stimmt nicht, denn wenn der Hunger plagt, hat man weder Kraft noch Zeit zu tanzen. In Brasilien habe ich Reichtum gesehen, wie ich ihn aus Deutschland vorher nicht kannte. Aber ich habe auch – und das kam deutlich häufiger vor – Armut gesehen, wie ich sie aus Deutschland nicht kannte! Diese Ungerechtigkeit, an der unser Lebensstil im globalen Norden einen nicht unerheblichen Anteil hat, ist eine schreckliche Ungerechtigkeit und muss bekämpft werden. Als Verzicht habe ich eine einfache Lebensform kennen gelernt. Meine schönsten Momente waren nicht jene, in denen ich überteuerte Touristenpreise zahlte, um auf den Zuckerhut zu fahren oder von der Christo-Statur aus in Rio über die Stadt zu blicken. Auch wenn dies beeindruckende Momente waren. Meine schönsten Momente verbrachte ich mit Seu Antonio, mit Silverio, mit Vivi und Manuel und Schülerinnen und Schülern. Allesamt Menschen in einfachen Verhältnissen, Kleinbauern und deren Kinder oder Lehrern. Alle Ereignisse ohne großen Aufwand. Fischen mit einem einfachen Netz in kleinen Tümpeln. Alles was wir brauchten war ein altes Moskitonetz, Streichhölzer und Salz um den gefangenen Fisch zu rösten und zu salzen. Ein Geschmack, an den Restaurants an der Copacabana nicht herankommen.
Diese Geschichte leitet zu meiner dritten einprägenden Erfahrung über. Dem Jeito brasileiro, am ehesten zu übersetzen mit einem Trick. - „Egal was passiert – wir werden schon einen Weg finden!“ Dieser Jeito kann darin bestehen, dass man die Wasserleitung mit dem Küchenmesser aufschneidet, um das Wasser wieder zum laufen zu bekommen oder aber, dass man einen Plausch hält und dadurch Anträge auch noch eine Woche später einreicht. Es ist ja nur menschlich, dass man auch mal eine Frist verpasst! Ein Lehrer sagte mir in einer klassischen Situation, in der mal wieder improvisiert werden musste: „Se nao tem cachorro - casa com gatto“ “ Wenn du keinen Hund hast, musst du halt mit der Katze auf die Jagd gehen". Wenn es das Ziel Wert ist, wird es schon einen Weg geben! Und dann ist es egal ob man irgendwas benutzt was eigentlich für einen anderen Zweck vorgesehen wurde oder auch mal einen Termin platzen lässt. Erich Misterek wird mir sicherlich zustimmen, wenn wir an Situationen im Amazonas denken. Mit waghalsigen Konstruktionen aus Schraubzwingen wurden da Bänke zum Leimen fixiert. Und wenn es darum ging Holz für die Schreinerei zu beschaffen, wurde die Arbeit von allen stehen gelassen und wir fuhren mit einem Boot in den Regenwald, das mit Helfern so beladen war, dass das Wasser des Flusses Tiquié fast ins innere schwappte. Die unkonventionellen Wege wagen und alle Regeln hinter sich lassen – wenn es dem Menschen dient.
Ergänzend hierzu steht mein vierter und letzter Eindruck, der in der Grundidee der Escola Familia Agricola - die Landwirtschaftsschule in Capinzal - liegt: nämlich sich sozial einzusetzen. Ein großes Problem im Nordosten ist die Landwirtschaft der Großgrundbesitzer. Es wird für den Export produziert, das heißt: Sojaplantagen über zig Kilometer zur Ernährung unserer Schweine und Rinder oder aber Viehhaltung die mit schwerem Hufschlag Land zermalmt und Bäche verunreinigt. Alles um unseren Fleischkonsum zu decken. Für den Reis, der weniger finanziellen Gewinn bringt, jedoch ein Vielfaches an Personen ernähren kann, bleibt kaum Raum. Um das wenige, was noch da ist zu nutzen, wird auf Brandrodung und Pestizide zurückgegriffen, was im ersten Moment ertragreicher scheint. Die Escola Familia Agricola stellt sich auf die Seite der Schwachen, der Existenzbauern. Sie ermöglicht den Töchtern und Söhnen dieser Bauern Schulbildung und landwirtschaftliche Kenntnisse und wirkt damit auch der Landflucht – also die Flucht der Bauern vom Land weg in die Slums der Stadt - entgegen. Soziale Ungerechtigkeiten sehen, dagegen angehen und auf der Seite der Schwachen kämpfen. Auch gegen den Widerstand der Großen und Mächtigen, wie in meinem Beispiel Großgrundbesitzer und Politiker. Trifft dies in der Praxis auch auf viele Probleme, ist es eine wunderbare Idee, die hinter der Schule steht und die auch umgesetzt wird.
Dies waren für mich zentrale Punkte, die ich gelernt habe. Gleichzeitig sind dies auch vier Tugenden, die für mich unweigerlich damit verbunden sind Christ zu sein.
Das Miteinander und die Nächstenliebe! Füreinander da sein, auch jene einbeziehe, die anders sind, Menschen die am Rand der Gesellschaft stehen, die im wörtlichen und auch im übertragenen Sinne nicht unsere Sprache sprechen. In Brasilien war ich diese Person und wurde von vielen mit Nächstenliebe empfangen, die für mich überraschen und bereichernd war! Als Christ fühle ich mich dazu aufgerufen, dies im Umgang mit meinen Mitmenschen zu praktizieren. Sei es in institutionalisierten Formen wie dem Hedwigsforum, das aktiv die Völkerverständigung sucht. Oder sei es auf privater Ebene, wenn ich versuche auch zu jenen freundlich und hilfsbereit zu sein, die dies in ihrem Alltag am wenigsten erfahren, vielleicht aber am nötigsten brauchen!
Als zweiter Punkt der Verzicht. Ist es wirklich nötig und förderlich dem Wunsch nachzugehen alles zu haben und immer das Neuste? Ich will kein Plädoyer dafür halten, dass man sich nichts mehr gönnen darf und in ständiger Reue und Demut lebt. Aber ich frage mich bei meinem eigenen Lebensstil, ob das wirklich nötig ist? Brauche ich wirklich eine neue Jacke für den Sommer oder ist die des letzten Jahres auch noch genügend? Liegt wirklich in den materiellen Dingen die Erfüllung von Wünschen und Ziele, die es zu erreichen gibt? Für mich meine ich sagen zu können, dass materielle Güter dabei helfen und manchmal auch unabdingbar sind. Aber als eigenständiges Ziel kann ich für mich weder eine neue Jacke noch ein Auto oder Sonstiges sehen. Eine Priorisierung scheint mir ein guter Weg, was brauche ich wirklich und auf was verzichte ich. Wer verzichtet und teilt und nicht beim Konsumismus unserer Wegwerfgesellschaft mitmacht, der entdeckt zuweilen andere Dinge des Lebens. Ressourcen, die sonst verborgen bleiben.
Drittens und ganz zentral: Unkonventionelle Wege wagen – damit dem Menschen gedient ist. Bei Nöten über Regeln hinwegsehen und dem Menschen helfen. Einfach – unkompliziert – effektiv. Hierin sehe ich sowohl für jede einzelne Christin und jeden einzelnen Christen eine große Herausforderung, als auch für die Institution Kirche. Im privaten Rahmen kann das heißen, Aufgaben liegen zu lassen und einem Freund, der es gerade benötigt, zur Seite zu springen.
Für die Institution Kirche sehe ich noch großen Entwicklungsbedarf. Menschen die in der Gesellschaft ausgeschlossen werden, müssen in die Mitte geholt werden. Dazu gehören beispielsweise Menschen, die unter unfreiwilliger Armut leiden und mit dem Existenzminimum leben müssen. Arbeitslose, allein erziehende Mütter und Väter sowie Flüchtlinge, die ihr Leben auf der Flucht vor der Armut riskieren und hier abgeschoben werden. Emotional und auch im rechtlichen Sinne des Wortes. Schon gar nicht geht es, dass die Kirche selbst Menschen ausschließt, wie es immer noch passiert. Homosexualität wird nicht als normale Form des Zusammenlebens gesehen. Doch was kann es Schöneres geben, als dass sich zwei Menschen lieben? Wiederverheiratete Geschiedene werden von den Sakramenten ausgeschlossen. Zu welchem Zweck? Frauen werden immer noch ausgeschlossen, wenn es darum geht ein Amt in der Kirche zu übernehmen? Dies sind Debatten, in denen die Kirche dem moralischen Standard der Zivilgesellschaft hinterherhinkt, obwohl es sich um Themen handelt die, in meinen Augen, nicht zu diskutieren sind, sondern als normal zu akzeptieren. Hier besteht Handlungsbedarf, wenn es sein muss, auch gegen bestehende Beschlüsse.
Als letzter Punkt das soziale Engagement. Dies ist für mich eigentlich schon in der Nächstenliebe inbegriffen. Jesus war kein Messias der Reichen und Wohlgestellten, die sich den Luxus leisten konnten. Er war gerade für die Armen, Schwachen und Ausgestoßenen da. Meiner Meinung nach sollte dies für uns Christinnen und Christen Ansporn sein, sich sozial zu engagieren. Und zwar nicht aus einer Haltung, die von oben etwas für die so genannten Armen tut. Sondern in dem Bewusstsein, dass sowohl die Armen als auch wir Kinder Gottes sind und die gleiche Würde haben. Dies ist eine der tiefsten Erfahrungen, die ich in Brasilien gemacht habe. Die vermeintlich Armen haben mir einen Reichtum des Lebens gezeigt, den ich vorher nicht kannte. Auf Augenhöhe den Armen begegnen und dadurch die Welt durch ihre Augen sehen, neue Eindrücke gewinnen, neue Welten entdecken. Das Leben neu sehen. Und Solidarität zeigen! Gemeint sind hier nicht nur Spenden. Karitative Nothilfe ist wichtig, reicht alleinig aber nicht aus. Engagement kann auf verschiedenste Weisen passieren! Es kann sich in der Eine-Welt-Arbeit oder in anderen Vereinen zeigen. Es kann in Situationen geschehen, in denen Unrecht geschieht. Sei es in der U-Bahn oder am Wahltag an der Urne.
Die Erfahrungen von denen ich heute gesprochen habe sind meine Eindrücke. Es sind meine Erlebnisse aus einer kleinen Gegend Brasiliens. Und es sind meine Schlüsse, die ich daraus für mich gezogen habe - sie haben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Es ist jedoch meine feste Überzeugung, dass wir als Christinnen und Christen eine besondere Verantwortung tragen. Mit den Freiheiten und der Vielzahl an Chancen und Möglichkeiten die wir hier haben, ergibt sich auch eine Verantwortung. Wie diese aussieht bleibt jedem selbst überlassen.
Für die Institution Kirche wünsche ich mir, dass sie eine Kirche ist, die den Menschen dient, gerade auch jenen die ansonsten vergessen werden. Und sie sollte sich für jene öffnen, die sich von ihr – teilweise auch aus mir verständlichen Gründen – bereits abgewandt haben.
Abschließen möchte ich mit den Worten von Geraldo Vandré, den wir zu Beginn hörten. „Pra não dizer que não falei das flores“ wurde als Protestlied gegen die Militärdiktatur in Brasilien geschrieben wurde. Vandré selbst musste in Folge der Veröffentlichung des Liedes nach Chile ins Exil flüchten und das Spielen des Liedes war über viele Jahre verboten.
Vem, vamos embora Komm lass uns aufbrechen
Que esperar não é saber Weil warten keine Lösung ist
Quem sabe faz a hora Wer die Gunst der Stunde zu nutzen weiß
Não esperar acontecer Wird nicht abwarten bis es zu spät ist
"Gut, dass ich nicht weiß was kommt"
Ein jüdischer Zeitzeuge des Holocaust berichtet
Mitte März trafen sich Mitglieder und Gäste der Ackermann-Gemeinde aus den hessischen Diözesen Limburg, Mainz und Fulda in Frankfurt-Griesheim mit dem aus Prag stammenden Historiker Dr. Toman Brod. Der Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde Limburg, Peter Hoffmann, stellte den Referenten in der Einladung wie folgt vor: "Dr. Toman Brod wurde 1929 in Prag geboren. Während der Besetzung der Tschechoslowakei und während des Zweiten Weltkrieges war er drei Jahre lang im Getto Theresienstadt sowie in den Konzentrationslagern Auschwitz und Groß-Rosen inhaftiert. Nach dem Krieg arbeitete er als Historiker. Er beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der nationalsozialistischen Politik und dem tschechoslowakischen Widerstand. Sein neuestes Buch "Gut , dass man nicht weiß was kommt - Meine Jahre von 1929 his 1984 - Erinnerungen" erschien 2013.
In seinem eindrucksvollen Vortrag, der die schreckliche Zeit der Naziherrschaft mit ihren Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung vor den zahlreichen Besuchern der Veranstaltung lebendig werden ließ, berichtete Dr. Brod, der aus einer wohlhabenden jüdischen Familie stammt, zunächst über seine glückliche und schöne Kindheit in der Hauptstadt der Tschechoslowakischen Republik. Er betonte, dass sich seine Eltern stets als tschechoslowakische Bürger verstanden, weniger als Juden. So haben sie ihre Kinder nicht als Juden, sondern als tschechoslowakische Patrioten erzogen. Damals habe es keine Unterschiede zwischen Tschechen und Juden gegeben - zumindest nicht im Wohngebiet seiner Familie. Er und sein Bruder hatten tschechische Freunde, sie besuchten die tschechische Schule und waren in die tschechische Gesellschaft voll integriert. Nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens (1938) durch Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien, das die Annexion des Sudetenlandes zur Folge hatte, und mit der Okkupation Böhmens und Mährens (1939) durch Hitler war für Toman Brod die bisher fröhliche Kindheit und Jugend vorbei. Mit seiner Familie geriet er in die Verfolgung der Juden durch die Nazis, .während der er unsagbare Qualen zunächst im KZ Theresienstadt, dann in Auschwitz-Birkenau und am Ende der Herrschaft des Dritten Reiches im KZ Groß-Rosen erleiden musste. Der Referent schilderte seine Erlebnisse so lebendig, dass man als aufmerksamer Zuhörer meinte, man sei selbst dabei gewesen. Es ist eben ein großer Unterschied, diese Gräuel in den Medien zu verfolgen oder von einem persönlich betroffenen Zeitzeugen zu hören.
Dr. Brod hat in der Nazizeit wie Millionen unschuldig verfolgter Menschen sehr oft dem Tod ins Auge schauen müssen, Immerhin wurden seine Mutter und sein älterer Bruder Opfer des Holocaust. Er selbst wurde mehr oder weniger durch Zufälle gerettet.
Der Referent ging in seinem Vortag auch auf die verschiedenen Etappen des Antisemitismus im Dritten Reich ein. Juden wurden aus der tschechischen Gesellschaft durch zahlreiche Schikanen und Diskriminierungen eliminiert. Das war die Vorstufe der längst geplanten "Endlösung". Das hatten damals die Betroffenen nicht verstanden und nicht erkannt. Auf der Wannseekonferenz (1942) wurde unter der Führung von Reinhard Heydrich die physische Vernichtung des Judentums in Europa beschlossen. Danach begannen die Deportationen der jüdischen Bevölkerung in die Gettos und Konzentrationslager. Toman Brod, damals 13 Jahre alt, hatte keine Vorstellung von dem, was mit ihm geschehen würde. Auch die Erwachsenen ahnten nicht, in welcher Lebensgefahr sie sich befanden. Der Referent merkte an, dass die alten Menschen am meisten unter der Deportation und Inhaftierung zu leiden hatten - immer in der Ungewissheit ihrer Zukunft. Massenhafte Selbstmorde in den Gettos waren an der Tagesordnung. Die jungen Juden konnten sich besser als die älteren an ihre bedrohliche Situation gewöhnen. Trotzdem wurden auch sie von ständiger Lebensangst heimgesucht, zumal dann, als zum Beispiel von Theresienstadt aus die Transporte in die Vernichtungslager in Polen begannen.
Dr. Brod war im Juli 1942 nach Theresienstadt gekommen. Im Dezember 1943 wurde er mit etwa 5000 Menschen im Viehwaggon nach Osteuropa transportiert. Eindrucksvoll schilderte der Referent die "Reise" nach Auschwitz. Die in den Waggons eingeschlossenen Juden litten Hunger und Durst, aber auch unter der Ungewissheit und Angst, was sie am Ziel der Fahrt erwarten würde. Toman Brod beschrieb sehr plastisch das Leben im KZ, insbesondere die schrecklichen Selektionen und die Ermordung von unzähligen Menschen in den Gaskammern. Wer wie der Autor dieses Beitrags nach dem Zweiten Weltkrieg das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau besucht hat, kann sich eine ungefähre Vorstellung von den Schrecken und Leiden der Insassen machen. Die Realität erlebt man aber nur, wenn man wie der Referent ein Zeitzeuge ist.
Nach dem Vortrag gab es eine lebhafte und interessante Aussprache. Dr. Brod erzählte, wie er in Prag die Nachkriegszeit verbracht hat. Sein neues Leben begann mit einem zweijährigen Aufenthalt in Sanatorien, da er physisch und psychisch schwer angeschlagen in seine Heimat zurück gekehrt war. Danach besuchte er die höhere Schule und studierte Geschichte. Noch heute hält der 85jährige Wissenschaftler Vorträge und Vorlesungen. Eine seiner Lebensweisheiten, die er insbesondere vor der jüngeren Generation verkündet, lautet: Es darf keine Kollektivschuld geben, die Völkern, Nationen, Angehörigen von Religionen und gesellschaftlichen Gruppen auferlegt wird. Im letzten ist jeder Mensch für seine Taten verantwortlich. Jeder muss auf sein Gewissen hören. Dr. Wilhelm Platz
Leben und Wirkungsgeschichte von Kyrill und Method
Kyrill wurde um das Jahr 827, sein Bruder Method im Jahre 815 in Thessaloniki im heutigen Griechenland geboren. Sie studierten in Konstantinopel (heute Istanbul) und zeigten außergewöhnliche Begabungen. Beiden gingen in ein Kloster, um sich für Gottes Geist zu öffnen.
Die entscheidende Wendung im Leben der Brüder ereignete sich 863, als Kaiser Michael III. von Byzanz Kyrill und Method bat, seinen Völkern den christlichen Glauben in ihrer Muttersprache zu erklären. Trotz großen Entbehrungen, Feindseligkeiten und Verfolgungen hatten sie einen bemerkenswerten Erfolg. Dabei schufen sie auch ein slawisches Alphabet, übersetzten einen Großteil der Bibel sowie weiterer liturgischer Texte. Kyrill arbeitete eine Schrift aus, die als Grundlage der kyrillischen Schrift gilt und noch heute von den slawischen Ländern Europas und Asiens verwendet wird.
Da es wegen der Verwendung der slawischen Sprache im Gottesdienst zu Konflikten mit fränkischen und bayrischen Bischöfen und Priestern kam, begaben sich Kyrill und Method nach Rom, um sich ihre Missionsmethode in der Volkssprache vom Papst bestätigen zu lassen. Dies wurde auch von Papst Hadrian II. gebilligt.
Das missionarische Wirken der beiden Brüder kann als die erste wirkliche Evangelisierung der Slawen betrachtet werden. Kyrill starb 869. Method führte die Missionierung fort und auch nach seinem Tod 885 wurde sie von seinen Schülern fortgesetzt.
Es entstanden insbesondere kraftvolle Zentren monastischen Lebens in Bulgarien, und es entfaltete sich auch das kyrillische Alphabet. Von Bulgarien aus verbreitete sich das Christentum in das benachbarte Rumänien, nach Polen, auf dem Balkan und in das Großreich der Kiewer Rus, das Vorläuferreich Russlands. Die weit verbreiteten heidnischen Bräuche unter der slawischen Bevölkerung wurden durch das Apostolat der Slawenapostel Kyrill und Method überwunden.
Kyrill und Method als Brücke zwischen Ost und West
Papst Johannes Paul II verstand es als Slawe den östlichen Ländern zu vermitteln, dass auch sie ein Teil Europas sind. Der Papst sprach bildhaft von West- und Osteuropa als den "zwei Lungenflügeln Europas" und erhob Kyrill und Method im Jahre 1980 zu Patronen Europas.
Enzyklika Slavorum Apostoli (1985) von Papst Johannes Paul II: "Die beiden Slawenapostel bilden gleichsam eine "geistige Brücke zwischen der östlichen und der westlichen Tradition, die beide in der einen großen Tradition der universalen Kirche zusammenfließen. Sie sind für uns Beispiele und zugleich Fürsprecher in den ökumenischen Anstrengungen der Schwesterkirchen des Ostens und des Westens, um durch Dialog und Gebet die sichtbare Einheit in der vollkommenen und umfassenden Einheit wieder zu finden"
Der 5. Juli 2013 ist in Tschechien Staatsfeiertag. An diesem Tag wird der beiden Slawenapostel, der heiligen Kyrill und Method gedacht.